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Ein Bericht von Günther Kulessa

Am Samstag, dem 11. Juni 2005, geht es los. 5 Uhr aufstehen. Nachdem die Fahrräder verstaut sind, geht es um 6 Uhr 15 planmäßig Richtung Mailand. Gegen 16 Uhr 30 kommen wir an, hier haben wir bis 18 Uhr 15 Gelegenheit für einen Bummel durch die Stadt. Mein einziger Gedanke ist erst einmal, was gibt es denn hier zu essen.

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Bei einem Italiener bestelle ich mir unter freiem Himmel die erste Portion Spagetti Carbonara. Es ist warm, 24 Grad und sonnig. In der Fußgängerzone gibt es viel zu sehen, eine Menge Italiener und Italienerinnen. Eine Atmosphäre wie auf dem Jahrmarkt. Gegen 18 Uhr 45 sind wir wieder im Hotel, jetzt heißt es Fahrräder, Gepäck, Hotelschlüssel und Startunterlagen in Empfang nehmen. So geht es schwer bepackt an der Rezeption vorbei zum Aufzug. Meine Zimmernummer ist die 618, also im sechsten Stock. Der Aufzug kommt, just in diesem Moment auch eine Gruppe netter Japaner, ein Radlerkollege und ich sind zuerst im Aufzug, dann drängen die Japaner dazu, die sind es scheinbar gewöhnt, jeden Quadratzentimeter zu nutzen. Acht Personen und zwei Fahrräder auf zwei Quadratmeter, die Tür geht zu. Und wieder auf, der Aufzug streikt. Zwei Japaner steigen aus, die Tür geht zu und wieder auf, wieder steigen zwei aus. Das gleiche Spiel noch einmal bis wir zwei Radler wieder alleine sind. Und- die Tür geht zu und wieder auf. Und jedes Mal winken die Wartenden uns freundlich zu. Schließlich steige ich auch aus. Der Kollege bleibt drin und fährt dann tatsächlich mit diesem Aufzug auf sein Zimmer, merkwürdig. Der nächste Fahrstuhl bleibt dann mir alleine vorbehalten. Im Zimmer angekommen, schnell auspacken, kurz duschen. Um 20 Uhr 30 ist das Abendessen angesagt.

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Diverse Getränke, unter anderem einige Rotweinflaschen, stehen an unserem Tisch bereit. Diese sind innerhalb kürzester Zeit unter den Anwesenden verteilt. Von dem Essen ist noch nichts zu sehen. Dann aber kommt die Bedienung mit Nudeln aller Art und einem Salatbuffet. Kaum ist der Tisch mit dem Essen zugänglich, beginnt auch schon der Run darauf, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Als ob alle kurz vor dem Verhungern stehen würden. Binnen kürzester Zeitist alles weggeputzt, die Bedienung kommt mit dem Nachlegen gar nicht nach, so dass sich immer wieder Warteschlangen bilden. Letztlich sind aber doch alle satt geworden. Und dann, welch Überraschung, treffe ich auf zwei Kollegen von der ARD: Carsten Mumme vom MDR Leipzig und Olaf Müller von der Deutschen Welle Berlin sind auch dabei. An der Bar besprechen wir anschließend unsere morgige Taktik. Um 23 Uhr 30 geht es dann wieder aufs Zimmer.

4 Uhr 30 aufstehen. 4 Uhr 45 Frühstück. Frühstück gibt es bereits seit 4 Uhr und immer wieder Nudeln, Nudeln, Nudeln.... . 5 Uhr 10 wieder auf dem Zimmer, Trinkflaschen fertig machen, vier Stück an der Zahl, die erste Verpflegungsstelle ist erst nach 130 km zu erwarten, Startnummer montieren, Beine massieren. Mein Ziel ist es anzukommen. Und das mit folgender Taktik, die ersten 100 km bis zum Anstieg zum Turchino möglichst schnell zu absolvieren und den Rest dann ohne Stress bis in Ziel zu rollen. Das heißt ein Platz in den vorderen Startreihen ist hier unabdingbar. Gegen 6 Uhr geht es dann wieder zum Aufzug, aber jetzt bin ich im Vorteil. Der Aufzug kommt umgehend, ich muss aber noch einen Umweg in den achten Stock in Kauf nehmen. Auf dem Weg nach unten halte ich wieder im sechsten. Ein Italiener mit Rad steigt zu, er sieht aus wie ein Vollprofi, wie wir alle übrigens. Halt im fünften, die Tür geht auf, es sind nur Radfahrer zu sehen, Tür geht zu, vierter und dritter Stock das gleiche Spiel, echt lustig. Wieder voll bepackt an der Rezeption vorbei zum Bus und das Gepäck verladen. Aufs Rad schwingen und die 4 km zum Start fahren. 20 Grad, zum Teil stark bewölkt, es könnte unterwegs regnen denke ich, aber ich entschließe mich trotzdem in kurz zu fahren. 6 Uhr 20 am Start angekommen, sind schon ca. 30 Fahrer da, also bis jetzt alles planmäßig, gemeldet sind etwas über 800. 6 Uhr 45 es wird ernst, wir müssen durch ein Tor fahren, hier wird der Transponder geprüft, anschließend eine Runde um einen Sportplatz und wieder warten.

6 Uhr 55, um 7 Uhr ist Start, es kommt eine gewisse Unruhe in dem Feld auf, einige Fahrer drängen mit Macht links und rechts auf der Wiese nach vorne. Punkt 7 Uhr geht es los. Erst müssen wir durch ein Nadelöhr, mehr oder weniger zu Fuß, bis wir die Straße erreichen, und schon geht die Post ab. Geschwindigkeiten zwischen 40 und 50 km/h sind hier schnell erreicht. Nach einigen Kreiseln biegen wir links ab und kommen dann auf eine kilometerlange Gerade. Die Spitze ist ca. 300m weiter vorne, ich denke nur, du musst weiter vor. Gedacht, getan! Der Puls steigt bis auf maximal 196. Jetzt sind es nur noch ca. 100 m bis zur Spitze, eine gute Position zum Mitrollen. Das Tempo lässt nicht nach, aber vom Wind gut abgeschirmt wird es schon klappen, denke ich. So weit, so gut, durch die Gefahrenpunkte unterwegs, die entgegenkommenden Autos und Busse, die Verkehrsinseln und die Fahrbahnverengungen kommt es ständig zu abrupten Bremsmanövern, zum Teil bis zum Stillstand und anschließend wieder entsprechendes Beschleunigen, nicht ungefährlich. Immer wieder rotieren verloren gegangene Flaschen durch das Feld ( höchste Gefahr ), durch die enge Fahrweise ist höchste Konzentration erforderlich. Das Trinken unterwegs ist sehr wichtig und sollte man vorher schon einmal geübt haben, auch wie man eine Flasche blind wieder in der Halter bekommt. Die Spitzengruppe ständig im Visier wird das Feld bei Kilometer 80 langsamer, wir bewegen uns nur noch mit ca. 35 km/h. Topfit fühle ich mich, vielleicht gewinne ich ja sogar. So ein Quatsch! Kilometer 100 ist passiert, es läuft noch gut, vom Anstieg zum Turchino (532m) ist nichts zu spüren, also geht es weiter. Von Stürzen habe ich bisher auch nichts mitbekommen, ein Glück. Kilometer 120, die Steigung beginnt, der ständige Ziehharmonikaeffekt hat eine Menge Kraft gekostet, der Durchschnittspuls bis hier hin lag bei 158 Schlägen die Minute. Wie geplant muss ich hier meinen eigenen Tritt finden. Langsam entschwindet das große Feld. Der Computer zeigt mir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 39,5 km/h. Bei Kilometer 130 komme ich zur ersten Verpflegungsstelle, hier werden die Flaschen wieder gefüllt, es gibt Bananen und anderes Obst, Weißbrot mit Käse belegt usw. Auf meiner Alleinfahrt bemerke ich den starken Wind, hoffe aber dass an der Küste, in Erinnerung des Wetterberichts, das nicht zu unseren Ungunsten sein sollte. Gegen 11 Uhr erreiche ich den Pass. Hier treffe ich auch Carsten und Olaf. Gemeinsam begeben wir uns dann auf die 12 km lange Abfahrt nach Genua. Durch Genua hindurch entschwinden mir aber auch die Kollegen, irgendwie bin ich platt. Aber immerhin sind schon 161 km zurückgelegt. Viel Verkehr und eine Menge Ampeln begleiten uns ab jetzt Richtung San Remo. Immer wieder stoppen und anfahren. Der Wind kommt auch nur noch von vorne, leider. Und ständig auf und ab, immer wieder, meine Knie machen sich bemerkbar, das Sitzen fällt schwerer. Der Puls reduziert sich auf um die 130 Schläge pro Minute, es rollt langsam. Noch 30 km bis zur nächsten Verpflegung. Plötzlich an einer Steigung zwischen zwei Ortschaften links ein Parkplatz, ein Italiener, er ruft mir zu, feuert mich an, kommt auf mich zugelaufen, schiebt mich 50 m den Berg rauf, ich denke nur "wow" . Die Motivation ist gehoben, ich schaffe die Strecke, rede ich mir ein. Endlich bei Kilometer 203 kommt die nächste Verpflegungsstelle. Und wen treffe ich hier an, den Carsten, er liegt auf dem Rasen, alle viere von sich gestreckt, Augen zu. "Hi Carsten, wie geht's ?" frage ich ihn. Wir bedauern uns gegenseitig, stellen mehrfach fest, wie platt wir sind und denken eigentlich daran aufzugeben. Knapp 100 km sind ja noch zu fahren. Olaf ist schon weitergefahren. Aber dann, kam Ulrich! Nicht Jan Ullrich, Ulrich aus unserer Reisegruppe. Er spricht uns Mut zu, wir schaffen das zusammen. Jetzt sind wir schon so weit gekommen und den Rest schaffen wir auch noch. Immer wieder, und immer wieder beschwört er uns. Wir fahren gemeinsam! Carsten meint, lass uns die nächsten 20 km probieren und die Reise geht weiter. Bei Kilometer 218 werde ich langsamer und halte auf einer Brücke an, Ulrich und Carsten kommen mir entgegen und richten mich wieder auf. Ulrich bietet mir einen Powerbarriegel an. Diesen nehme ich gerne. Und so rollt der Zug weiter, nach weiteren 10 Minuten fühle ich mich deutlich besser. Beim Anstieg zur nächsten Verpflegungsstelle bei Kilometer 247 fährt Ulrich vor und sagt: "Oben warte ich auf Euch !". Er zieht von dannen, ist nicht mehr zu sehen. Den kriegst du noch, denke ich mir. Also Kette auf das große Blatt und im Wiegetritt hinterher. Mit großen Schritten nähere ich mich Ulrich wieder (hört sich gut an oder), klemme mich hinter ihn und frage dann ganz entspannt, wie weit es denn noch hoch geht. Völlig verdutzt dreht er sich um und sagt: "Weit kann es nicht mehr sein." Oben angekommen warten wir auf Carsten, aber Carsten kommt nicht. Später stellt sich heraus, dass er an der Verpflegungsstelle vorbei gefahren ist und uns nicht gesehen hatte. Schade! Nachdem Ulrich erfolglos noch einmal ein Stück zurück gefahren ist, um Carsten zu suchen, beschließen wir alleine weiter zu fahren. Capo Berta und Cipressa mit seinen 6 km Anstieg rauben mir weitere Kräfte, wonach wir uns einig sind, den Poggio fahren wir nicht mehr. 5,5 km vor San Remo beschließen wir nochmals eine Pause einzulegen. An der Straße setzen wir uns auf eine Treppe und entspannten ein wenig. Anschließend fällt der Aufstieg aufs Fahrrad recht schwer, die Knie schmerzen, aber die letzten Meter schaffen wir auch noch. Beim Abzweig zum Poggio heißt es dann doch, den fahren wir auch noch. Kaum abgebogen, der Hinweis noch 4 km bis zum Ziel, na also. Freudig überqueren wir den Zielstrich nach 12 einhalb Stunden. Geschafft, Dank Ulrich!!!!!

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Um 20 Uhr 30 gibt es Abendessen und viel zu erzählen.

Carsten (11h : 49m : 57s) und

Olaf (10h : 57m : 33s) haben ihr Ziel ebenfalls erreicht,

herzlichen Glückwunsch !!!!!!

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Und es war doch schön.