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Ein Bericht von Urs aus der Schweiz

Hallo miteinander

Meine erste, über den TV-Live-Konsum hinausgehende Beschäftigung mit MSR ist eine frostige: Vor ein paar Jahren beschliessen wir kurzfristig für ein paar Tage nach Umbrien zu verreisen. Beim Packen der Kleider zappe ich auf die Live-Übertragung MSR. Meine Radkleider umfassen die volle Ausrüstung für warmes und kaltes Wetter, schliesslich ist’s bei uns an Ostern saukalt. Die Profis aber, die am TV der Ligurischen Küste entlang brausten, fahren in Sommerkleidung! Nix wie weg mit den fetten Klamotten, unser Ferienziel liegt südlicher ...
Die Autofahrt durch die Po-Ebene lässt den Kleider-Entscheid bald erfrieren: Dem schlechten Wetter zuhause durch den Gotthard entronnen und Milano im Sonnenschein, dennoch: Die Aussentemperaturanzeige sinkt und sinkt – zuletzt ist auf den Hügelchen rund um Florenz Schnee zu sehen. Dass die Ausfahrten in Umbrien kalt und kurz waren, muss hier nicht weiter erläutert werden...
März 2012. Das simple Leeren der Mailbox offenbart eine Überraschung: Ein Frankfurter Freund schreibt, dass er sich für MSR2012 angemeldet habe. Meine Überraschung ist so gross, dass ich mich erst nach meiner Anmeldung erkundige, weshalb er das vorhabe. Aber eigentlich logisch: Zahlreiche gemeinsame Touren offenbaren ihn als drückenden Flachfahrer, während dem ich Hügel, Berge und Alpen bei weitem vorziehe. Nichts Schlimmeres als flach fahren, v. a. soooviel flach. Dennoch, der Reiz des Weltcupklassiker obsiegt.
Ein Hinweis zu Günthers super Reiseservice zementiert den Teilnahmeentscheid. Die hochgezogenen Wimpern des Arztes beim Kontrollbesuch können nichts aufhalten. Ab nach Milano. Die üblichen Frühlingstrainingsfahrten werden sofort flacher und länger. Ich versuche neben Arbeit und Familie einmal pro Woche eine 100er-Runde einzubauen – bis zuletzt gelingt das 9 Mal. Temperaturstürze halten mich nicht auf – nur bei Regen bleibe ich daheim. Die letzte Testfahrt eine Woche davor in den Schwarzwald über 200 Km verströmt Zuversicht. Mit etwas über 4’ Km in den Beinen sehe ich dem Rennen zuversichtlich entgegen. Ich bin mir sicher durchzukommen, 10 Std. als Richtziel wäre toll, super natürlich etwas darunter. So baue ich mir meine Ziele auf, weil ich keinen Vergleichswert habe. Ultra-Marathons mit dem Bike kenne ich, Mehrpässefahrten mit dem Rennrad ebenso – aber 300 und fast flach, ne (wer tut sich das an).
Die Fahrt mit dem Car ist komfortabel. Das etwas in die Jahre gekommene Kongresshotel wird von Radfahrenden umschwärmt wie ein Bienenstock. Leider erweist sich das Abendessen gar nicht nach der von mir so geliebten Italianità – lange Buffets, wenig Personal und matsche Teigwaren. Angesichts der vielen Teilnehmenden etwas verständlich.
Sonntagmorgen: 4h aufstehen, Magen füllen, Restkleider versorgen, auf dem Klo ‘Überflüssiges’ runterspülen, runter zum Car, Tasche verstauen und einstehen. Kurz nach 7h geht’s los. Zum Glück hört der Regen bereits im Wegfahren auf. Flott radelnd durch die flache Gegend – das hohe Tempo und die teilweise unsicheren Fahrkünste anderer bedingen volle Aufmerksamkeit. So stark, dass die Zeit im Flug verstreicht und Ovada bald den ersten Verpflegungsposten offenbart, vor dem Turchino-Anstieg. Ich habe mich längst entschieden, hier durchzufahren und erst bei Km 200 die Bidons zu füllen. Zu meinem Erstaunen halten die meisten an – so dass aus der grossen Gruppe plötzlich nur wenige mit mir im Sattel blieben. (Abends wird sich dann herausstellen, dass die erste Grossgruppe hier durchfährt). Auf den Anstieg freue ich mich schon lange, leider ist es aber kein richtiger, nur zur Passhöhe hin sind ein paar Prozente messbar...
Runter Richtung Genua. Überraschend bläst an der Küste ein seitlich eintreffender Rückenwind, der aber bald auf die erwartete (Gegen)Richtung aus West dreht. Kopf runter und durch. Im gesenkten Haupt spielt sich ein Theater ab, ein richtiges Dilemma. Gute Beine und drücken, mehrheitlich alleine, oder leicht drosseln und mit anderen zusammen auch vom Windschattenwechsel profitieren. Mit dem Theater purzeln Kilometer, aber erst nach der letzten Verpflegung bei 250 ziehe ich alleine weiter, schliesslich locken die letzten Hügel und der Gegenwind spielt dort kaum eine Rolle. Der Poggio ist dann das Gefühlsfinale, immer noch gute Beine, zahlreiche, im Schlangenstil fahrende müde Kollegen überholend Richtung Ziel drückend. Die Ankunft in Sanremo mit den vielen Zuschauenden und bestem Wetter bilden das Abschlussambiente. Nach einem Bierchen telefoniere ich meiner Frau. Ich bin stolz, auch auf die Zeit von etwas über 9h, die, meine Frau ahnt es, zuhause angekommen ziemlich rasch die Basis bilden, im 2013 nochmals fahren zu müssen. Selbstverständlich mit Günthers Service. Dir gehört wirklich ein dickes Danke! Das Finale im Hotel in Sanremo belohnt die Strapazen: Voller Genuss auf der Terrasse: Vino bianco und eine fette Zigarre – später folgen mit allen zusammen ein feines Abendessen, montagmorgens dann das Packen und ein letztes Fotoshooting.
Bis 2013! Urs